WASSERKRAFTNUTZUNG ENTLANG DER SCHLICHEM
„Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ heißt es in einem alten Volklied. Im Schlichemtal klappert keine Mühle mehr. Und an einem wilden, mit großer Wasserwucht „rauschenden“ Bach hat nie eine geklappert. Solche Bäche muss man eher im Schwarzwald suchen. Ebenso waren ausgeschlagene Zahnkränze aus Holz nicht der Grund dafür, dass die Mühlen im Schlichemtal klapperten. Ein Rüttelschuh brachte die Mühle zum Klappern, Dieser versetzte Stäbe in Bewegung, die gegen einen gewebten Beutel schlugen. Das feine Mehl fiel auf diese Weise durch das Gewebe, während die grobe Kleie zurückgehalten und als Viehfutter genutzt wurde. „Klappern gehört zum Handwerk“ sagten die Müller mit berechtigtem Stolz, wenn sie ihr feines Mehl anpriesen.
Wenn auch die Schlichem eher ein bescheidenes Flüsschen war, so hat sie auf ihrem 40 km langen Weg so viel Wasserkraft gehabt, dass sie an 17 Standorten „Wasser auf die Mühlen“ gab. In Tieringen betrieb sie schon das erste Mühlenrad. In einem oberhalb der Mühle gelegenen Teich musste Wasser gesammelt werden, um ein paar Stunden mahlen zu können.
Wassermühlen zum Antrieb von Maschinen einzusetzen, war ein bedeutender Fortschritt in der Menschheitsgeschichte. Schöpfräder zur künstlichen Bewässerung an Euphrat und Tigris gab es bereits im 5. Jahrhundert vor Christus. In Germanien gab es die ersten mit Wasser angetriebenen Getreidemühlen im frühen Mittelalter. Am Anfang wurden nur „unterschlächtige“ Wasserräder gebaut. Die waren einfacher herzustellen, weil keine komplizierten Kanäle erforderlich waren. Der Wirkungsgrad war aber geringer als bei „oberschlächtigen“ Rädern. In einer Handwerksordnung von 1660 ist zu lesen, dass ein Müller als Meisterstück eine oberschlächtige Mühle bauen musste. Die Existenz einer Mühle in Schömberg wird dadurch belegt, dass 1269 eine Mühle von Holzheim – einem abgegangenen Dorf zwischen Schömberg und Ratshausen – gekauft wurde.
Die Möglichkeit, Wasser als Antriebskraft zu nutzen, war so hilfreich, dass Wassermühlen in den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen Anwendung fanden. Viele sind bekannt aber von manchen hört man zum ersten Mal:
Getreidemühlen
Sägemühlen (Schneidemühlen)
Ölmühlen
Schneidemühlen
Papiermühlen
Schleifmühlen
Gerbermühlen (Lohmühlen)
Knochenmühlen
Eisenhammer
Pulvermühlen
Steinmühlen
Walkmühlen
Wie aus der beigefügten Karte erkennbar ist, gab es im Schlichemtal zu Anfang des 19. Jahrhunderts 17 Mühlenstandorte. In der Urkarte des Königreichs Württemberg von 1838 sind sie alle nachzuweisen. Von der Schlichem weiß man nur von Sägemühlen, Getreidemühlen und Ölmühlen. Grundlage war immer die Wasserkraft. Dabei konnte es langfristig durchaus passieren, dass der Mahlgang auf ein anderes Mahlgut umgestellt wurde oder dass aus einer Mahlmühle eine Sägemühle wurde. Manche Mühlen hatten zusätzlich eine Hanfreibe, die die Leinfaser vom strohigen Halm befreite. Leinen war in einer Zeit der kleinen Selbstversorger-Landwirtschaftsbetriebe ein wichtiger textiler Rohstoff, der auf kleinen Webstühlen weiter verarbeitet wurde und die Bedürfnisse an Wäsche und Kleidung wesentlich abdeckte.
Verwunderlich ist die Existenz von Mühlenbetrieben in Tieringen. Oberhalb der Lochenstraße – dem Dorf zugewandt – wurde in einem Teich Regenwasser und Schlichemwasser gesammelt und bei ausreichendem Wasservorrat gemahlen. Die Schlichem ist dort nur ein Rinnsal, aber die Mühle im eigenen Dorf war wichtig, und sie lief bis 1965 – in den letzten Jahrzehnten durch elektrischen Strom angetrieben.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebten die anderen Mühlen ähnliche Schicksale, beispielsweise fiel die Ratshausener Mühle einem Hochwasser zum Opfer während die Brestenecker Mühle verbrannte. Mühlen am Unterlauf des Flusses, versuchten bei stärkerer Strömung mit Turbinen Strom zu erzeugen. Allerdings erhielten diese Kleinanbieter nicht die Subventionen wie heute bei Fotovoltaik- oder Windkraftanlagen und so wurde die Stromerzeugung unrentabel.
Im Mittelalter galt das Müllergewerbe als anrüchig und zählte vielerorts zu den „unehrlichen“ Berufen. Dies wird sehr schön dokumentiert in dem 1721 erschienenen Betrugs-Lexikon von Georg Paul Hönn. Da heißt es unter anderem, dass Müller im komplizierten Aufbau einer Mühle heimlich Nebenbeutel anbringen, wo Mehl zu ihren Gunsten abgezwackt werde. Auch nähmen sie für das Abmessen des Getreides eine größere „Mäste“ als bei der Rückgabe des Mehls.
Diesen Betrügereien konnten sich die Bauern in der Regel nicht entziehen, denn es herrschte „Mahlzwang“. So genannte Bannmühlen waren dem Grundherren unterstellt, der auch einen Gewinn aus den Mühlen haben wollte.
So sehr aus manchen Sprichwörtern und Redensarten klar wird, wie unbeliebt teilweise die Müller waren, so waren sie doch standesbewusst, stolz und manchmal auch reich. Aus manchen Berufsbezeichnungen entstanden angesehene Familiennamen wie „Müller“, „Lohmüller“, „Weißgerber“ oder „Hammerschmied“.
Um den Beruf des Müllers ranken sich zudem zahlreiche humorvolle Anekdoten und Redensarten. Menschliche Schwächen erregen Zorn oder Heiterkeit. Ebenso spielt im Volkslied das Müllerhandwerk eine wichtige Rolle. Zur Ergötzung seien Sprüche und Redensarten um „Müller“ und „Mühle“ wiedergegeben. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Müller in Zeiten existentieller Not, in denen „der Brotkorb höher gehängt werden musste“, armen Leuten auch geholfen haben.
Bei den bildhaften Aussagen über die Müller soll vor allem das „Spitzbübische“ zur Sprache kommen.
Der Müller mit der Metzen (Hohlmaß für Getreide)
Der Weber mit der Krätzen,
Der Schneider mit der Scher
Wo kommt ihr Diebe her?
„Warum baut der Storch nicht auf eine Mühle?“
„Weil er Angst hat, dass ihm der Müller die Eier stiehlt.“
Die Müller und die Lumpen
wachsen auf einem Stumpen.
Pfarrers Kinder und Müllers Vieh
geraten selten oder nie.
Literatur
Steffen, H. Schmid, W., Winter, K. (1987): Heimatbuch Schömberg, Aufzeichnungen aus seiner Geschichte. Geiger Verlag.
Hönn, G.-P. (1721): Betrugslexikon. Coburg.
Text erstellt von Albrecht Homrighausen